Der Autor

Dr. Gregor Gatscher-Riedl ist Historiker und Politikwissenschaftler, der sich als Journalist und Autor hauptsächlich im pluriethnischen Koordinatensystem der alten österreichisch-ungarischen Monarchie bewegt.

Istrien: Kontakt, Begegnung, Austausch

Reflexionen zu einer pluri-ethnischen Landschaft im Herzen Europas

Die Region Istrien hat in den vergangenen zweitausend Jahren unter der Herrschaft Ostroms, des Fränkischen Reichs, des Herzogtums Bayern, Venedigs, Habsburgs, Italiens, Jugoslawiens oder Kroatiens gestanden. Das macht sie zu einer Konflikt­region, aber auch zu einem Labor der Völkerverständigung.

Wie ein gleichseitiges Dreieck schiebt sich die Halb­insel Istrien in die obere Adria. Der geografische Raum mit seiner mediterran-maritimen Atmosphäre wurde auch als das „magische Dreieck der Donaumonarchie“ bezeichnet. Die neuzeitliche Geschichte Istriens bildet die Schnittmenge dreier Kulturen, die ihrerseits als „dritter Raum“ in einer Überlappungszone zwischen den deutschsprachigen Gebieten des Habsburgerreiches, der italienischen Apennin- und der slawischen Balkanhalbinsel zu verorten ist. Kultur ist in diesem Verständnis eine Kontinuität von Kontakt, Begegnung und Austausch, und bereits Forschungskampagnen des 19. Jahrhunderts stellten Istrien als sprachlich und kulturell buntscheckigsten Raum Mitteleuropas dar – mit entsprechender Skepsis gegenüber nationalen Erlösungsversprechungen. Die habsburgische Epoche im langen 19. Jahrhundert verdient im östlichen Adriaraum besondere Beachtung. Zum einen, da in diesem Zeitraum der Natio­nalismus als stärkste politische Programm­erzählung Wirksamkeit erlangte, zum anderen, weil ab 1797 Istrien unter dem Titel einer Markgrafschaft erstmals seit der Antike als politische Einheit organisiert wurde. Mit der Stadt Triest/Trieste/Trst als Zentrum und den im heutigen Friaul gelegenen Görz und Gradiska bildete sie das Österreichische Küstenland (Litorale Austriaco/Primorska bzw. Primorje), während die Hafenstadt Fiume/Rijeka dem ungarischen Einflussbereich zugeordnet war. In den Jahrhunderten davor waren andere politische Kräfte in Istrien wirksam gewesen. Ende des 13. Jahrhunderts wurden nach dem Frieden von Treviso die Grenzen neu abgesteckt und im Istrianischen Grenzbuch (Istarski razvod) auf Latein, Deutsch und in glagolitischer Schrift vermerkt: Die Republik Venedig erhielt die Westküste mit dem Zentrum Koper, das unter dem Namen Capodistria zum Hauptort Venezianisch-Istriens ausgebaut wurde, bis nach Rovigno und ab 1331 bis Pola. Graf Albert I. von Görz sicherte sich im Gegenzug das Hinterland bis zum Karst, das im Erbweg an die Habsburger gelangte.

Teilung der Halbinsel zwischen Habsburgern und der Markusrepublik

Diese Zweiteilung blieb ein halbes Jahrtausend politische Realität und wurde erst zur Zeit der Napoleonischen Kriege Ende des 18. Jahrhunderts überwunden, als Österreich sich im Frieden von Campo Formio von 1797 aus der venezianischen Erbmasse den Küstenstreifen zusätzlich zu Inneristrien sichern konnte. Den habsburgischen Ambitionen als Regionalmacht kam zudem eine im Spätsommer 1382 vom Rat…

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