Verschwörungstheorien

Politikum 3/2017

herausgegeben von
Johannes Varwick
unter Mitarbeit von
Michael Butter, Laura Luise Hammel, Roland Imhoff, Rainer Kampling, Julia C. Leschke, Dieter Plehwe, Ruprecht Polenz, Stephan Ruß-Mohl, Tobias Wolfram

Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit infolge der Digitalisierung sowie zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung haben Verschwörungstheorien an Sichtbarkeit gewonnen – obgleich es sich anbietet, den weniger verbreiteten Begriff „Verschwörungsmythen“ zu verwenden, denn eine Theorie soll ja gerade eine plausible Erklärung liefern. Dies gilt nicht nur für den Stammtisch, auch in Schule und Universität sind Varianten davon weit verbreitet. Verschwörungsglauben lässt sich einerseits als schrullige Petitesse abtun, bei der Spinner über die erfundene Mondlandung, Chemtrails, Illuminatentum u…

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Bestellnummer: Pk3_17
EAN: Pk3_17 (Print) / 9783734405136 (PDF)
ISBN: Pk3_17 (Print) / 978-3-7344-0513-6 (PDF)
Reihe: Politikum
Erscheinungsjahr: 2017
Seitenzahl: 80
Produktinformationen

Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit infolge der Digitalisierung sowie zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung haben Verschwörungstheorien an Sichtbarkeit gewonnen – obgleich es sich anbietet, den weniger verbreiteten Begriff „Verschwörungsmythen“ zu verwenden, denn eine Theorie soll ja gerade eine plausible Erklärung liefern. Dies gilt nicht nur für den Stammtisch, auch in Schule und Universität sind Varianten davon weit verbreitet. Verschwörungsglauben lässt sich einerseits als schrullige Petitesse abtun, bei der Spinner über die erfundene Mondlandung, Chemtrails, Illuminatentum und Weltherrschaft oder den 11. September 2001 als CIA-Inszenierung schwadronieren. Andererseits gehört es zu den Voraussetzungen einer funktionierenden demokratischen Ordnung, dass zwar mitnichten alle Sachverhalte gleich beurteilt werden, aber doch eine gewisse gemeinsame Basis bei der Faktenbeurteilung nicht verlassen wird. Streit, unterschiedliche Interessen, Lagebeurteilungen, Meinungen, normative Vorstellungen und Prioritäten gehören zur Demokratie und sind gar konstitutiv für ihr Gelingen. Aber Verschwörungstheorien sind kein Beitrag zur politischen Meinungsbildung, sondern sie verlassen diese gemeinsame Grundlage. Sie unterstellen Kausalzusammenhänge, die entweder frei erfunden oder grob sinnentstellend gefasst sind bzw. mitunter sogar gezielt instrumentalisiert werden.

Diese Ausgabe von Politikum  widmet sich der Frage, welche Konsequenzen daraus für den politischen Raum resultieren. Zunächst fragen wir nach den Funktionen und dem Ausmaß von Verschwörungsglauben in Geschichte und Gegenwart und nehmen dann mit anti-jüdischen Verschwörungsmythen einen besonders abscheulichen Topos in den Blick. Zudem werden Trends in der deutschen Protestkultur identifiziert und überlegt, wie ein faktenorientierter Diskurs auch in einer veränderten Medienlandschaft gelingen könnte. In drei Interviews blicken wir auf Mentalitäten und Dispositionen der Verschwörungstheoretiker und fragen, wie Verschwörungsmythen Politikgestaltung beeinflussen bzw. was eine ernsthafte und durchaus kritische Machtanalyse von Verschwörungstheorien unterscheidet.

Dieses Heft von Politikum  erscheint nicht zufällig im Umfeld der Wahlen zum Deutschen Bundestag im September 2017, gewissermaßen als Beitrag zur Delegitimierung von Verschwörungstheorien und zur Bestärkung der Freude an Wahrheitssuche – und als Reflektion über die Schwierigkeiten dabei.

Inhaltsübersicht

 

 

Schwerpunkt
Dunkle Komplotte
Ein differenzierter Blick auf Verschwörungstheori-
en kann durchaus sinnvoll sein. Denn jenseits von
Pauschalurteilen können diese abstrus, aber ebenso
Symptome für wirkliche Probleme wie auch eine He-
rausforderung für die Demokratie sein. Ein konzepti-
oneller Problem aufriss.

 

Schwerpunkt
Antijüdische Verschwörungsmythen
Antisemitische Verschwörungsmythen sind ein klas-
sischer Verschwörungstopos und in Geschichte und
Gegenwart weit verbreitet. Sie bedrohen die Werte
unserer Gesellschaft – keine Toleranz bitte.

 

Interview
Die Mentalität der Verschwörungstheoretiker
Welche Dispositionen haben Menschen, die Verschwö-
rungstheorien anhängen, und wann werden diese
gefährlich? Antworten und Kategorisierungsversuche
aus der psychologischen Forschung.

 

 

Schwerpunkt
Verschwörungsglaube, Populismus, Protest
Manche Protestbewegungen gehen zunehmend mit
politischer Entfremdung und Verschwörungsglauben
einher. Ist das gar ein Trend in der deutschen Protest-
kultur?

 

 

Interview
Verschwörungsmythen und Politikgestaltung
Politikgestaltung braucht eine gemeinsame Basis der
Tatsachenbeurteilung zwischen Politik und Bevölke-
rung. Mit der Popularität von Verschwörungsmythen
wird das ungleich schwieriger. Doch es gibt durchaus
Gegenmittel, sagt ein erfahrener Politiker.

 

 

Schwerpunkt
Likes und Shares statt Fakten?
Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit, neuen
Technologien und der Desinformations-Ökonomie wird
ein faktenorientierter Diskurs schwieriger. Ein Plädoyer
zur Stärkung des Qualitätsjournalismus.

 

Interview
Nur alberne Spinner?
Geschichte ist nicht das Resultat von Verschwörungen,
aber es gab durchaus Verschwörungen in der Geschich-
te. Seriöse Machtanalyse und vor allem Machtkritik
sollte keineswegs als Spinnerei abgetan werden.

 

Forum
Welche Faktoren erklären den
Verschwörungsglauben?
Wie ist Verschwörungsglauben zu operationalisieren
und welche Eigenschaften haben Personen, die sich
als anfällig für solche Mythen erweisen? Ein Blick in
die Empirie am Beispiel von Berliner Studierenden.



Verschwörungstheorien

Michael Butter
Dunkle Komplotte. Zur Geschichte und
Funktion von Verschwörungstheorien     4

Rainer Kampling
Antijüdische Verschwörungsmythen
Zur langen Dauer der Vergangenheit      16

Interview mit Roland Imhoff
Die Mentalität der
Verschwörungstheoretiker     26

Laura Luise Hammel
Verschwörungsglaube,
Populismus und Protest     32

Interview mit Ruprecht Polenz
Verschwörungsmythen und
Politikgestaltung     42

Stephan Russ-Mohl
Likes und Shares statt Fakten?
Zum schleichenden Glaubwürdigkeitsverlust
des Journalismus     48

Interview mit Dieter Plehwe
Nicht nur alberne Spinner …
Ernsthafte Machtanalyse versus
Verschwörungstheorie     58

 

Forum

Julia C. Leschke, Tobias Wolfram
Welche Faktoren erklären den
Verschwörungsglauben? Eine quantitative
Erhebung an Berliner Studierenden     62

 

Rezensionen

Bücher zum Thema     70

Das streitbare Buch     74

Bücher für den Politikunterricht     76

Literaturtipps     78


Impressum     80

Autor*innen

Prof. Dr. Michael Butter
ist Professor für Amerikanistik an der Universität Tübingen und Leiter eines internationalen und interdisziplinären Forschungsverbunds zur Erforschung von Verschwörungstheorien.

Laura Luise Hammel
ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen. In ihrem Dissertationsprojekt befasst sie sich mit dem Zusammenspiel zwischen Verschwörungstheorien, politischem Protest und Populismus.

Prof. Dr. Roland Imhoff
ist Professor für Sozial- und Rechtspsychologie am Psychologischen Institut der Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Verschwörungsmentalität, Vorurteile und Stigmatisierung.

Prof. Dr. Rainer Kampling
ist Professor für Biblische Theologie/Neues Testament an der Freien Universität Berlin und Mitglied des Direktoriums des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.

Julia Leschke
ist Masterstudentin in Politischer Forschung an der Universität Oxford und angehende Doktorandin an der London School of Economics and Political Science.

Dr. Dieter Plehwe
ist wiss. Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und war bis Februar 2017 Visiting Scholar am Center for European Studies an der Harvard University. Er ist zudem Vorstand von Lobbycontrol, ein Verein, der über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären will und sich für Transparenz, demokratische Kontrolle und klare Schranken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit einsetzt.

Ruprecht Polenz
war bis 2013 Bundestagsabgeordneter, im Jahr 2000 Generalsekretär der CDU und 2005 – 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags. Seit 2015 ist er offizieller Vertreter der Bundesregierung im Dialog um den Völkermord an den Herero und Nama mit Namibia und u. a. Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde“.

Prof. Dr. Stephan Ruß-Mohl
ist Direktor des Istituto Media e Giornalismo (IMeG) an der Università della Svizzera italiana (Lugano) und des European Journalism Observatory (http://en.ejo.ch). Sein Beitrag fasst Kernthesen des Autors zusammen, die in seinem neuen Buch „Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde“ (Herbert von Halem-Verlag) weiter ausgeführt sind (Erscheinungstermin: Herbst 2017).