Zum Hauptinhalt springen Zur Suche springen Zur Hauptnavigation springen

Der Interviewte

Dr. Alexander Langenkamp ist Sozialwissenschaftler. Seine Forschungsinteressen liegen an der Schnittstelle zwischen politischer Soziologie, sozialer Ungerechtigkeit und sozialer Benachteiligung. Seine Dissertation beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Einsamkeit und politischer Einstellungs­bildung und Teilhabe. Während seiner Promotion arbeitete er in einem Team am Institut für Sozial­arbeit und Sozialpädagogik (ISS), das die deutsche „Strategie gegen Einsamkeit“ mitentwickelte. Aktuell arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe Universität Frankfurt.

Zwischen individueller Erfahrung und gesellschaftlicher Verantwortung

Einsamkeit aus Sicht der politischen Soziologie
Interview mit Alexander Langenkamp


POLITIKUM: Herr Langenkamp, Sie beschäftigen sich aus Sicht der politischen Soziologie mit dem Thema Einsamkeit. Was ist überhaupt Einsamkeit?

Langenkamp: Einsamkeit ist ein umkämpfter Begriff, wird aber in der Wissenschaft meistens als schmerzhaft empfundener Mangel in den persönlichen Beziehungen definiert, sei es nun quantitativ oder qualitativ. Dabei wird Einsamkeit von anderen Begriffen wie Isolation, Ausgrenzung oder Alleine-Sein abgegrenzt, welche eher den unmittelbaren physischen Zustand, aber nicht die Gefühlslage ansprechen. Einsamkeit kann entsprechend aus dem Wunsch nach mehr oder anderen Beziehungen entspringen. Das umfasst romantische oder Familienbeziehungen genauso wie den Wunsch nach mehr und frequenteren oberflächlichen Kontakten. Deswegen sind Netzwerkgröße und Einsamkeit auch nur bedingt miteinander assoziiert. Heruntergebrochen bedeutet das: Man kann gut eingebunden sein und im Moment unter vielen Menschen sein, sich aber trotzdem einsam fühlen. Umgekehrt kann man natürlich auch alleine sein und sich nicht einsam fühlen.

POLITIKUM: Woran liegt das? Ist es also einfach eine Frage der subjektiven Empfindung, wie viele Kontakte ich brauche, um mich nicht einsam zu fühlen? Und kann sich das Bedürfnis im Laufe des Lebens ändern? Oder gibt es einfach unterschiedliche Persönlichkeiten und Bindungstypen?

Langenkamp: Zwillingsstudien legen eine gewisse genetische Komponente nahe, ein großer Teil ist aber sicherlich Sozialisation. Tatsächlich verändert sich im Lebenslauf durchschnittlich auch die Art und die Menge an Kontakten, die Personen sich wünschen. Das gilt natürlich nicht für alle, aber häufig steigt das Bedürfnis nach langfristigen, vielfältigen und tiefgehenden Beziehungen. Es kommen zunehmend Bedürfnisse dazu, beispielsweise verschiebt sich der Fokus von der Kernfamilie im Kleinkinderalter hin zu Freunden und romantischen Beziehungen im Laufe des Erwachsenwerdens.

POLITIKUM: Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Zusammenhang von Einsamkeit und politischer Partizipation. Welche Erkenntnisse liegen hierzu vor?

Langenkamp: Das Forschungsfeld ist noch jung, aber die bisherigen Erkenntnisse legen nahe, dass Einsamkeit mit einem veränderten Wahlverhalten einhergeht. Einsamere Menschen gehen seltener wählen, und wenn sie wählen gehen, haben sie eine höhere Wahrscheinlichkeit politisch extremere Gruppen zu wählen. Bei den meisten anderen Formen der politischen Beteiligung, wie finanzielle Zuwendungen oder die Kontaktaufnahme mit Politiker:innen, sehen wir überwiegend einen demobilisierenden Zusammenhang: Einsamere Menschen beteiligen sich weniger am gesellschaftlichen und politischen Leben.

POLITIKUM: Kann man Aussagen darüber treffen, ob das für sämtliche…

Weiterlesen mit POLITIKUM+

Lesen Sie diesen und alle weiteren Beiträge aus Politikum im günstigen Abonnement.
Mit Ihrem Abonnement erhalten Sie die vier gedruckten Politikum-Ausgaben im Jahr sowie vollen Zugriff auf alle Politikum+ Beiträge des Online-Angebots.
Jetzt abonnieren
Sie haben Politikum bereits abonniert?
Jetzt anmelden