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Der Autor

Prof. Dr. Thomas Geisen lehrt am Institut für Integration und Partizipation an der Fachhochschule Nordwestschweiz und forscht zum Thema Migration. Sein Schwerpunkt liegt vor allem auf der Arbeitsintegration und dem Eingliederungs­management.

Über den Zusammenhang von Einsamkeit und Migration

Bestimmte Gruppen sind stärker von Einsamkeit betroffen als andere. Dazu gehören auf jeden Fall Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt verlagern (müssen).

In neueren Auseinandersetzungen mit Migrationsthematiken werden vermehrt emotionale Aspekte des Migrationsgeschehens thematisiert (Geisen/Widmer/Yang 2023). Emotionen werden dabei als relevante Faktoren anerkannt, die einen Beitrag dazu leisten, die Komplexität des Migrationsgeschehens besser verstehen und beurteilen zu können. Neben den positiven Emotionen, zu denen beispielsweise Glück, Freude und Zufriedenheit gehören, werden dabei auch negative Emotionen thematisiert, etwa Angst, Wut oder Einsamkeit. Emotionale Reaktionen entstehen im Selbst und sind als solche nur der fühlenden Person unmittelbar zugänglich. Anderen werden Emotionen erst zugänglich, wenn sie körperlich zum Ausdruck gebracht und kommuniziert werden. Neben der Entstehung von Emotionen im Inneren des Selbst ist ein weiteres, zentrales Charakteristikum, dass sie eine Beziehung zu etwas aufweisen, das außerhalb des Selbst liegt. Bei Emotion handelt es sich daher um ein relationales Konzept, das sich etwa auf eine andere Person oder einen Gegenstand, einen Sachverhalt oder ein Geschehen bezieht. Sie sind nicht als isolierte, individuelle Empfindung zu betrachten, vielmehr entstehen sie durch die Beteiligung oder Involviertheit einer Person innerhalb eines sozialen Geschehens oder Zusammenhangs (Heller 2009, 11). Involviertheit bezeichnet ein Beteiligtsein, das auf den Moment bezogen oder anhaltend sein kann, das sich auf Teile der Persönlichkeit oder auf die gesamte Persönlichkeit beziehen kann, das intensiv oder extensiv, tiefgreifend oder oberflächlich, konservierend oder expansiv und das auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft gerichtet sein kann (ebd., 12). In der sozialen Praxis umfasst jedes emotionale Beteiligtsein eine Kombination von verschiedenen solcher Merkmale.


Einsamkeit als soziale Praxis und Mentalität

Emotionen können auf unterschiedliche Weise verstanden werden. Abhängig vom jeweiligen sozialen Kontext können sie positiv oder negativ bewertet und moralisch als gut oder böse eingeordnet werden. Einsamkeit wird vielfach als negative Emotion verstanden, da sie eine – meist nicht gewollte – Loslösung aus etablierten sozialen Beziehungen darstellt. Yang verweist darauf, dass es zur Entstehung von Einsamkeit als negativer Emotion sowohl der objektiven Existenz einer sozialen Beziehung bedarf als auch der subjektiven Evaluation und Interpretation eben dieser Beziehung (Yang 2020, 3). Einsamkeit ist hier von der physischen Situation des Alleinseins zu unterscheiden. Während die Emotion der Einsamkeit eine subjektive Wahrnehmung beschreibt, handelt es sich beim Alleinsein um eine objektive, soziale Bedingung (ebd., 2). Man ist allein, weil man nicht unter anderen Menschen ist, beispielsweise im Zimmer, auf der Straße oder bei der Arbeit. Demgegenüber kann sich…

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