
Seine roten Linien wird China nicht verschieben
Chinas Peripheriepolitik und die regionale Ordnung in Asien
Chinas außenpolitische Maximen lassen sich am besten
durch einen Blick auf seine „nahe“ asiatische Peripherie verstehen. Sie verweisen auf die anhaltende Wirkungsmacht imperialer Ordnungsvorstellungen. Ob dies zu Konflikten mit der überkommenen „Internationalen Liberalen Ordnung“ führen muss, ist eine offene Frage und keine notwendige Konsequenz.
Der weltpolitische Aufstieg Chinas hat seit der Machtübernahme von Staats- und Parteichef Xi Jinping in den Jahren 2012/13 zu zunehmender Sorge in der Staaten- und Wertegemeinschaft des „Westens“ geführt. Denn anders als während der Amtszeiten seiner Vorgänger Jiang Zemin (1989–2002) und Hu Jintao (2002–2012) setzt Xi auf mehr weltpolitischen Einfluss für sein Land. Er strebt ein starkes China an, dessen nationale Interessen weltweit respektiert werden, das einen legitimen Anspruch auf die Neugestaltung der etablierten globalen Ordnungsstrukturen erhebt und in der Lage ist, diesen Anspruch auch durchzusetzen. In wichtigen internationalen Organisationen und multilateralen Dialogplattformen verlangt die chinesische Regierung mehr Beteiligungsrechte und Führungsfunktionen. Zugleich entfaltet China weltweit Einfluss durch seine wirtschaftlichen Aktivitäten, indem es rund um den Globus massiv investiert und viele Staaten vor allem aus dem „Globalen Süden“ durch kaum konditionierte Kredite unterstützt. Dies hat im „Westen“ zu einer breiten Debatte über chinesische „Verschuldungsfallen“ und neokoloniale Ausbeutung geführt. In den betreffenden Staaten selbst ist hingegen eine sehr viel differenziertere und oft völlig andere Sichtweise anzutreffen, die das chinesische Engagement und die damit verbundenen Entwicklungsfortschritte positiv bewertet. Außerdem rüstet China seit mehr als einer Dekade seine Volksbefreiungsarmee (VBA) systematisch auf und dokumentiert damit die Bereitschaft zur militärischen Absicherung und Durchsetzung seiner nationalen Interessen als ultima ratio.
Faktisch folgt China mit seinem Verhalten dem Vorbild anderer „großer Mächte“ – allen voran die USA. Diese prägten nach dem Zweiten Weltkrieg ein globales System, das mit ihren Interessen kompatibel war: Der Dollarstandard verschaffte Washington eine privilegierte Position im Weltfinanzsystem und sicherte die ökonomische Ressourcenbasis der USA ebenso ab wie die politische Kontrolle über die Bretton Woods-Institutionen. Letztlich waren es die US-Streitkräfte, die – stets mit cutting edge-Waffensystemen ausgerüstet – den globalen Führungsanspruch Washingtons untermauerten. Lange Zeit profitierte China von der globalen Hegemonie der USA, die auf den Trümmerfeldern der Weltkriege des 20. Jahrhunderts errichtet und durch stabile Bündnisse in Europa und im pazifischen Asien abgesichert wurde. Schon länger geht es Peking aber um eine Emanzipation von dieser sog. Internationalen Liberalen Ordnung, allerdings ohne das Ziel, sie durch eine eigene…