Mehr als Restitution
Wissensaustausch und Wiedergutmachung statt Restitution
von Mitiana Arbon
Restitutionsdebatten sind wichtig. Sie dienen der Wiedergutmachung und dem wissenschaftlichen Austausch. Die Kulturdebatte über Restitution und Provenienz von Sammlungen wurde besonders intensiv geführt, als ich am Übersee-Museum Bremen meine Stelle als Co-Kurator für die neu geplante Ozeanien-Ausstellung antrat. Genau in diese Zeit fiel die Entscheidung Deutschlands, alle in den deutschen Museen vorhandenen Benin-Bronzen zu restituieren. Gleichzeitig wurde erneut diskutiert, ob und wie man geraubte Museumsexponate ausstellen darf. Auslöser der neu entflammten Debatte war das Luf-Boot, welches seit diesem September im neu eröffneten Humboldt-Forum zu sehen ist (S. 12 in diesem Heft). Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das Übersee-Museum über drei Luf-Boote verfügt. Auch wenn es sich nur um Modelle handelt, die zweifelsohne zur Demonstration der Praxis geschaffen wurden.
Als samoanischer Australier, der im Museum arbeitet, begrüße ich solche Debatten, da sie Diskussionen über den oft konservativen Charakter von Sammlungen eröffnen. Viele deutsche Kolleg*innen, die so wie ich im Museumsbereich arbeiten, sahen Restitution lange als ein Tabuthema, über das nur im Flüsterton gesprochen wurde. Lange wurde der Begriff „Restitution” mit negativen und reaktionären Beispielen assoziiert, beispielsweise mit Aktivist*innen oder Vertreter*innen indigener Völker, die in Vitrinen kletterten und museale Sammlungen und Depots leerten.
Es ist wichtig, diese Beispiele mit der Realität in Ozeanien in Verbindung zu bringen. Die meisten Fälle von Rückführung in Ozeanien konzentrieren sich auf indigene Ansprüche in Aotearoa Neuseeland, Australien und Hawai’i. Diese Staaten verfügen über ausreichend finanzielle Mittel, um langfristige Projekte zu unterstützen. Gemeinsam mit großen kulturellen Institutionen und staatlicher Unterstützung wird die Rückgabe von Objekten und menschlichen Überresten aus deutschen Einrichtungen gefördert. In Australien und Aotearoa Neuseeland werden solche Ansprüche auch durch die interne Siedler-Kolonialpolitik vorangetrieben, welche Wiedergutmachung als eines von vielen Instrumenten der indigenen Politik der Versöhnung und Heilung einsetzt.
Ohne finanzielle Mittel oder institutionelles Fachwissen ist es für wirtschaftlich schwächere Länder in dieser Region unmöglich, ähnliche Wege zu beschreiten. Zwei samoanische Kollegen haben mich darauf hingewiesen, dass sie niemals für die Wiederbeschaffung von Kulturgütern plädieren…
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