
Gegenseitige Freundschaft?
China und die Süd-Süd-Kooperation
Mit Hilfe von Süd-Süd-Kooperation, allem voran in Infrastruktur und digitalen Technologien, baut China seinen Einfluss
im Globalen Süden aus. Der Westen muss eine Antwort darauf finden, und zwar bald.
Chinas Fußabdruck in den Ländern des Globalen Südens ist massiv. Das genaue Volumen und den genauen Impact zu beziffern ist schwer, da die chinesische Regierung kaum genaue Zahlen zu Finanzflüssen oder Projekten veröffentlicht. Doch Schätzungen des AidData-Projekts zufolge beläuft sich Chinas jährliche Entwicklungsfinanzierung an den Globalen Süden auf rund 85 Milliarden US-Dollar. Dies bedeutet, dass China die USA und andere große Wirtschaftsmächte in einem Verhältnis von mindestens zwei zu eins übertrifft (Malik u. a. 2021). Auch beim Handel hat sich China inzwischen zu einer dominanten Kraft im Globalen Süden entwickelt. Er wuchs allein zwischen 2019 und 2023 um fast 50 Prozent. China löste in über 100 Ländern die EU und die USA als wichtigste Handelspartner ab (Gerards Iglesias 2024).
Gleichzeitig erscheinen im Westen viele der Signale, die China in Richtung des Globalen Südens aussendet, widersprüchlich. Einerseits hebt Chinas Staatschef Xi Jinping den erfolgreichen Aufstieg Chinas von einem armen Land zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt hervor. Auf dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in 2017 betonte er, dass China als „verantwortungsvolle Großmacht“ bereit sei, „chinesische Weisheit und chinesische Lösungen“ zur Bewältigung globaler Entwicklungsherausforderungen zu teilen (Rudyak 2024). Andererseits sagt Xi, dass „China immer Teil der Familie der Entwicklungsländer sein wird“, während das chinesische Außenministerium im Mai 2023 klarstellte, dass China aufgrund seiner postkolonialen Geschichte nicht dem westlichen „Club der reichen Länder“ beitreten kann (ebd.).
Wann immer chinesische Politiker:innen vor ihren afrikanischen Kolleg:innen sprechen, beschwören sie das Bild einer gemeinsamen Vergangenheit des „anti-imperialistischen und anti-kolonialen Kampfes“, in dem China Afrika trotz eigener Armut stets nach besten Kräften unterstützte. Sie beschreiben die Zusammenarbeit mit Afrika als von „Freundschaft“ und „gegenseitigem Nutzen“ geprägt und bringen ihre Dankbarkeit für die gegenseitige Unterstützung afrikanischer Staaten in den Vereinten Nationen zum Ausdruck. Diese Rhetorik ist weit verbreitet. Im Weißbuch „China und Afrika“ von 2021 werden die Wörter „Freundschaft“ 34 Mal und „gegenseitig“ 28 Mal erwähnt (State Council Information Office 2021). Bevor Xi Jinping beim Forum über die China-Afrika-Zusammenarbeit (FOCAC) 2021 detailliert auf die Unterstützung Chinas für Afrika einging (das Wort „Unterstützung“ kam in seiner Rede elf Mal vor), sprach er über die langjährige gemeinsame Geschichte, Freundschaft und den gegenseitigen Nutzen:
„In den vergangenen 65 Jahren haben China und Afrika eine unzerbrechliche Bruderschaft im Kampf gegen…