„From the River to the Sea, Palestine will be free“
Herausforderungen und Perspektiven für den Rechtsstaat
Als exponierte Vertreter des Rechtsstaates stehen Justiz und Polizei in einer besonderen Verantwortung, da sie Grundrechte verteidigen und demokratische Werte schützen müssen. Gerade bei ihnen ist ein gesichertes Verständnis des Phänomens „Antisemitismus“ Voraussetzung, um in der polizeilichen und justiziellen Praxis adäquat agieren zu können.
Der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Felix Klein, sagte im Rahmen einer Pressekonferenz am 18. Januar 2023, dass Antisemitismus in erster Linie Jüdinnen und Juden treffe, letztlich aber eine Gefahr für die Demokratie als Ganzes darstelle. Insbesondere in Zeiten, die von Verunsicherungen und Krisen geprägt sind, werden einfache Antworten – und damit auch Antisemitismus – attraktiv für Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Milieus und politischer Ausrichtungen.
Justiz und Polizei als exponierte Vertreter des Rechtsstaates stehen hier in einer besonderen Verantwortung, da sie Grundrechte verteidigen und demokratische Werte schützen müssen. Entsprechend müssen gerade Vertreterinnen und Vertreter von Polizei und Justiz ein gesichertes Verständnis von dem vielgestaltigen Phänomen „Antisemitismus“ haben, um überhaupt die Relevanz seiner verschiedenen Ausprägungen für die polizeiliche und justizielle Praxis begreifen zu können. Das betrifft insbesondere das Erkennen und Verstehen von potenziell antisemitischen Straftatbeständen, das Gewährleisten von polizeilicher und rechtlicher Sicherheit sowie den sensiblen Umgang mit Betroffenen von Antisemitismus.
In einer 2024 publizierten Studie zu „Wahrnehmungen von jüdischem Leben und Antisemitismus bei der Polizei“ wird deutlich, dass dies nicht unbedingt gewährleistet werden kann. In den Interviews äußerten viele Polizistinnen und Polizisten den Bedarf nach mehr Wissen und Kompetenzen, um Handlungssicherheit zu erlangen (Grimm u. a. 2024). In den Reaktionen auf eine Videosequenz einer anti-israelischen Demonstration wurde zudem deutlich, dass das notwendige Kontextwissen fehlt, um Parolen einordnen zu können.
Die Parole: „From the River to the Sea,
Palestine will be free“
Was an Parolen besonders herausfordernd ist, wird am Beispiel „From the River to the Sea, Palestine will be free“ deutlich. Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 ist die Parole Gegenstand einer Kontroverse. Es geht darum, ob sie rechtlich verboten sei oder nicht. Die Frage nach der rechtlichen Einordnung ist zweifellos wichtig für den Rechtsstaat. Sie wurde allerdings jüngst unterschiedlich geurteilt: Das Landgericht Mannheim beschloss am 29. Mai 2023 (Az. 5 Qs 42123), dass es sich hier um keine Straftat handele. Es positionierte sich dahingehend, dass es auch eine sozialadäquate Verwendung der Parole geben könne und deren pauschale Kriminalisierung nicht haltbar sei. Der verhandelte…
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