
„Einfach mal reden“ gegen Einsamkeit
Ein Gespräch mit Elke Schilling von Silbernetz e. V.
POLITIKUM: Das Herz von Silbernetz ist ein dreistufiges Telefonangebot für ältere Menschen: Was war der Anstoß für die Vereinsgründung im Jahr 2016?
Elke Schilling: Als Seniorenvertreterin in Berlin-Mitte ist mir das Problem der Alterseinsamkeit durch diverse Schlüsselerlebnisse sehr nahegekommen. Das nachhaltigste Erlebnis war, dass mein alter Nachbar drei Monate tot in seiner Wohnung gelegen hat. Ja, mein unmittelbarer Nachbar, Wand an Wand mit mir. Als ich merkte, wie er sich zurückzog, hatte ich ihm Hilfe angeboten, die er abwehrte. Er wurde gefunden, nachdem ich den Vermieter anrief, weil in meiner Wohnung immer mehr Fliegen waren. Nachbarn wird nicht mitgeteilt, woran der andere gestorben ist. So weiß ich nicht, ob er sich das Leben genommen hat oder nur unglücklich gestürzt war und nicht mehr imstande, um Hilfe zu rufen. Danach musste ich einfach aktiv werden. Einige Zeit danach stieß ich 2014 bei meiner Suche nach Lösungsansätzen auf die britische Silver Line Helpline, die ich im Frühjahr in London besuchte, um mir deren Arbeit anzuschauen. Danach fand ich im Netzwerk der Seniorenvertretung gleichermaßen Interessierte, mit denen ich dann begann, diese Lösung auf Berlin zu übertragen. Offene Netzwerke bekommen jedoch keine Mittel für solche großen Projekte – darum gründeten wir 2016 den Verein, der dann zunächst unter dem Dach eines Wohlfahrtsverbandes die notwendigen Förderungen für das Silbernetz organisieren konnte.
POLITIKUM: Einsamkeit kommt in allen Altersgruppen vor, warum wendet sich das Angebot von Silbernetz explizit an Menschen ab 60 Jahren? Wie unterscheidet sich die Einsamkeit Älterer vom Isolationsgefühl jüngerer Menschen?
Schilling: Egal, welches Alter, das Gefühl der Einsamkeit kann jedem Menschen begegnen. Ein wesentlicher Unterschied besteht in den Möglichkeiten, mit diesem Gefühl umzugehen und es zu bewältigen. Ältere haben oft aufgrund ihrer Lebensumstände schlicht weniger Gelegenheiten, neue Kontakte zu schließen, wenn ihnen die vertrauten, im Lauf ihres Lebens gewachsenen Beziehungen wegbrechen. Auch ist der Übergang aus dem Berufsleben in die Altersphase fast zwangsläufig mit Kontaktverlusten und oft auch mit Abwertung verbunden. Hinzu kommt, dass diese Phase die zwar oftmals längste, aber auch am schlechtesten vorbereitete eines Menschenlebens ist, verbunden mit vielen negativen Stereotypen, aber auch gesellschaftlichen Vorurteilen und Rollenzuweisungen, bis hin zu Altersdiskriminierung. Es gibt viele Ursachen für Einsamkeit, für davon betroffene Ältere sind die Rahmenbedingungen schwieriger und die Möglichkeiten oft eingeschränkt, diesem Gefühl erfolgreich ohne entsprechende Unterstützung zu begegnen. Das Deutsche Zentrum für Altersfragen stellte kürzlich in einer Untersuchung fest, dass die Wahrscheinlichkeit, sich aus Einsamkeit zu lösen, für Ältere weit geringer ist als für…