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Die Autorin

Dr. Sara Han ist wissen­schaftliche Mitarbeiterin im BMBF-Verbundprojekt ­„Christliche Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus“ an der FU Berlin des Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert (FoNA21).

Die Verbindung zwischen christlichem Antisemitismus und der neuen Rechten in Deutschland

Um antisemitische Stereotype abzubauen ist eine intensive Auseinandersetzung mit theologischen Traditionen und der Anschlussfähigkeit des christlichen Antisemitismus notwendig. Denn historische Kontinuitäten des christlichen Antisemitismus bestehen fort und werden von neurechten Gruppen aufgenommen. Welche Verbindung besteht zwischen der christlichen Rechten und neurechten Bewegungen?

In der aktuellen politischen Landschaft gewinnen neurechte Bewegungen an Einfluss und ihre Ideologien werden in die Mitte der Gesellschaft getragen. Eine zentrale Strategie besteht darin, durch die Etablierung von Begriffen und Narrativen eine kulturelle Hegemonie zu schaffen, die ihre ideologischen Ziele unterstützt. Besonders hervorzuheben ist die Verknüpfung mit traditionellen und religiösen Werten, die vor allem von der christlichen Rechten vorangetrieben wird (Lo Mascolo 2023). So zeigt die katholische Theologin Sonja Strube in ihren Forschungen die wechselseitigen „Bewegungsrichtungen“ und Vernetzungen zwischen politisch neurechten und christlichen Gruppierungen auf. Einerseits suchen neurechte Kreise strategisch den Kontakt zum christlichen Milieu, indem sie religiöse Überzeugungen bedienen. Andererseits gibt es eine bewusste Zusammenarbeit von sich christlich verstehenden Gruppen mit Akteuren der Neuen Rechten und der Identitären Bewegung (Strube 2024).

Christliche antisemitische Mythen und ihre Wiederkehr

Die Verflechtung und Kontinuität von christlichem Antijudaismus und proto-/rassistischen Elementen in der Geschichte deuten darauf hin, dass eine klare Trennung zwischen rassisch motiviertem Antisemitismus und religiös begründetem Antijudaismus kaum aufrechtzuerhalten ist. Im System des theologischen Antijudaismus wird die Ansicht vertreten, der christliche Glaube sei der „wahre“ und „einzige“, das Judentum durch den Glauben an Jesus Christus ersetzt und Jüdinnen und Juden, solange sie sich der Taufe verweigerten, seien aus dem Gottesbund ausgeschlossen (Ersetzungstheologie/Substitutionslehre). Die religiöse Judenfeindschaft war tief in die christliche Theologie verwurzelt (Kampling 2010). Die Abgrenzungs- und Abwertungsmechanismen sowie die aus ihnen produzierten Vorurteile und antijüdischen Narrative vermischten sich im Laufe der Jahrhunderte mit proto-/rassistischen Vorstellungen. Bereits im 15. Jahrhundert verband das Konzept der „Reinheit des Blutes“ (Limpieza de sangre) religiöse Vorurteile gegen jüdische Konvertiten mit proto-rassistischen Vorstellungen (Schüler-Springorum 2020). 

Diese Ideen wurden später in den völkisch-rassistischen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts integriert und fanden ihren Höhepunkt in der Ideologie des Nationalsozialismus und im Holocaust. Im 19. Jahrhundert fand schließlich eine gezielte Abgrenzung von jeglicher jüdischen Bindung im Christlichen statt. Die Behauptung, das Neue Testament sei…

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