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Die Autorin

Dr. Janka Oertel ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin und Sinologin. Sie ist Direktorin des Asienprogramms sowie Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations.

Deutschland und China: Gefahren der Abhängigkeit

Im Zuge des ökonomischen Aufstiegs Chinas entstehen neue Abhängigkeiten. Wie ist damit umzugehen? Soll Deutschland die Kooperation intensivieren oder sich entkoppeln?

Die Debatte über gefährliche Abhängigkeiten hat mit der erneuten Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA eine neue Dramatik erhalten. Nicht nur die Abhängigkeiten von den USA mit Blick auf die eigene Verteidigungsfähigkeit, im Bereich digitaler Technologien und Energielieferungen werden in den kommenden Monaten Europa erpressbar machen, auch die Abhängigkeiten von China werden vor allem für Deutschland zum transatlantischen Problem. In Trumps erste Amtszeit fällt Europas Kurswechsel gegenüber China, weg von der reinen Betonung von Partnerschaft zum beiderseitigen Vorteil, hin zu dem Dreiklang, der bis vor Kurzem noch das Mantra der europäischen Chinapolitik war – China als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Veränderungen in China unter Xi Jinping haben dazu geführt, dass sich die Stimmung in Europa verändert hat. Die globale Pandemie und Chinas Verhalten in dieser Zeit hatten einen signifikanten Anteil daran. Aber auch der Druck aus den USA unter der Regierung Trump I hat einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, dass in Europa über die Sicherheit von kritischer Infrastruktur, Rohstoffabhängigkeit und Sicherheit von Lieferketten in ganz neuem Maßstab nachgedacht werden musste. Um nachzuvollziehen, wie es zu diesen dramatischen Verschiebungen vom umworbenen Wirtschaftswunder zum Risikomarkt kommen konnte, lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, was sich genau verändert hat und warum aus gewinnbringenden Interdependenzen in der globalen Arbeitsteilung gefährliche Abhängigkeiten geworden sind.

Warum droht Gefahr?

Die Kommunistische Partei hat den Mythos des modernen China geschaffen und versucht eine historische Linie zu ziehen, von alter Größe des antiken China über die revolutionäre Modernisierung und Industrialisierung unter Mao bis zur Hightech- und Greentech-Supermacht der 2020er Jahre. Was im Narrativ der Partei so zwingend und logisch erscheint – die Rückkehr zu alter Größe nach den Demütigungen der Kolonialisierung, die Überwindung von Weltkrieg und Bürgerkrieg sowie die Partei als Wegbereiter der Befreiung aus der Armut –, ist bei genauerem Hinsehen eine sehr viel komplexere Erzählung. Denn die Erfolgsgeschichte hat einige Höhen, aber eben auch viele Tiefen. In der Erinnerungskultur der Kommunistischen Partei spielen ihre Fehlschläge nur eine nachgeordnete Rolle. Es dominiert die Erzählung der großen Wiederauferstehung. Das positive Narrativ war lange wirkmächtig. Doch die Corona-Pandemie, die extreme Isolation und der ausbleibende Aufschwung seit dem Ende der Null-Covid-Maßnahmen haben die Bruch­linien offengelegt (Oertel 2023).

Im China unter Xi Jinping steht Macht über Recht, Kontrolle über wirtschaftlichen Gewinnen und die Partei über allem. Sie ist die zentrale Ordnungsgröße und…

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