Die Rezensentin

Prof. Dr. Ina Schildbach lehrt Politik­wissenschaft mit Schwerpunkt Sozialpolitik an der OTH Regensburg.

Bücher zum Thema: Armutszeugnisse

Die Publikationen über Armut sind so zahlreich, dass eine Orientierung schwerfällt. Allerdings fällt auf, dass sich das Gros der Bücher und Artikel auf Armut in Deutschland bezieht und sie nur selten eine globale Perspektive einnehmen. Dies kontrastiert frappierend damit, dass absolute Armut und Hunger sowie die kapitalistische Unterentwicklung von Staaten des Globalen Südens als zentrale Menschheitsprobleme anerkannt sind, wie beispielsweise der Agenda 2030 der Vereinten Nationen entnommen werden kann. Im Folgenden sollen deswegen einige empfehlenswerte Werke vorgestellt werden, die unterschiedliche Aspekte dieses Themas beleuchten und besonders für die politische Bildung geeignet scheinen.


Lucio Baccaro, Mark Blyth, Jonas ­Pontusson (Hg.): Diminishing Returns. The New Politics of Growth and ­Stagnation. Oxford University Press: New York 2022, 560 S.


„Diminishing returns“ stellt das am stärksten theorielastige der hier vorgestellten Werke dar, insofern es in die Debatte der politischen Ökonomie um unterschiedliche Wachstumsmodelle einführt. Meines Erachtens ist ein grundlegendes Verständnis dieses Forschungszweiges jedoch unumgänglich, um ein tatsächliches Verständnis der globalen Zusammenhänge von Armut und Reichtum zu gewinnen. Denn schließlich wird, wie das Interview mit Branko Milanović in diesem Heft herausstellt, die materielle Position eines Menschen ganz wesentlich durch den Geburtsort geprägt. Diese Erkenntnis wiederum eröffnet die Frage nach dem Grund der globalen Hierarchie der Staatenwelt. Da der Status eines Landes wesentlich durch das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes bestimmt ist, kommt dieses Buch ins Spiel: Welche Möglichkeiten des Wachstums existieren für moderne Volkswirtschaften? Welcher Staat hat in den letzten Jahrzehnten weswegen welches Wachstumsmodell gewählt? Und wie sind die ärmeren Weltregionen von den Wachstumsformen des Globalen Nordens abhängig oder gar bestimmt? Um zu verstehen, ob und wie nachholende Entwicklung im globalen Kapitalismus erfolgen kann, müssen diese grundlegenden ökonomischen Fragen diskutiert werden.

Thomas Piketty: Kapital und Ideologie. C. H. Beck: München 2022, 1315 S.


Seit dem Erscheinen des Weltbestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ ist der französische Ökonom Thomas Piketty einer der bekanntesten Intellektuellen unserer Zeit. In dem wenige Jahre später erschienenen Werk „Kapital und Ideologie“ verfolgt er den Anspruch, auf über 1300 Seiten eine Globalgeschichte der sozialen Ungleichheit vorzulegen: Was waren und sind die Ursachen für weltweite Ungleichheit? Wie wurden und werden diese legitimiert? Und wie ließe sich unser System gerechter gestalten? Pikettys Anspruch zufolge soll sein Weltbestseller dadurch um eine auch außerwestliche Perspektive ergänzt sowie ideologische Faktoren stärker in den Blick genommen werden, denn: „Jede menschliche Gesellschaft muss…

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