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Der Rezensent

Gottfried Kößler ist seit 1990 in der Weiterbildung von Lehrkräften und Gedenkstättenpädagog:innen tätig. Am Fritz Bauer Institut koordiniert er das Weiterbildungsangebot für Gedenkstättenpädagog:innen „Verunsichernde Orte“. Bis 2019 war er stellvertretender Direktor des Fritz Bauer Instituts für den Schwerpunkt Pädagogik. Am Jüdischen Museum Frankfurt gehörte er von 2014 bis 2019 zum kuratorischen Team der Dauerausstellung.

Bücher Politikdidaktik

Elizaveta Firsova-Eckert, Kai E. Schubert (Hg.): Israelbezogener Antisemitismus, der Nahostkonflikt und Bildung. Analysen und didaktische Impulse Verlag Barbara Budrich: Leverkusen 2024, 174 S.


Dieser Sammelband möchte „bislang fragmentiertes Wissen über die pädagogische Arbeit zu israelbezogenem Antisemitismus und dem Nahostkonflikt zusammen[zu]führen“ (15). Diesen Anspruch kann das Buch jedoch nicht erfüllen – das Feld ist bei weitem zu groß. Die Beiträge reflektieren in Theorie und Praxisberichten Erfahrungen und dringende Anforderungen an die ­antisemitismuskritische Bildung nach dem 7. Oktober 2023. Sie sind in „wissenschaftliche“ und „praktische Perspektiven“ geteilt. Diese Unterteilung ist nicht immer einleuchtend und bei einem die pädagogische Praxis reflektierenden Vorgehen auch nicht wünschenswert. Wer also die Beiträge für die eigene Praxisreflexion nutzen möchte, kann in beiden Kapiteln fündig werden. Der Band bietet unterschiedliche Auseinandersetzungen mit dem hochkomplexen Themenfeld. Ich gehe nur auf die Beiträge ein, die ich aktuell erhellend und weiterführend fand. Das heißt nicht, dass andere Beiträge unwichtig sind, es ist eine subjektive Auswahl. Bereits in der Einleitung stellen die Herausgeber:innen fest, dass die pädagogische und bildungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Antisemitismen seit einigen Jahren zunimmt. Das trifft zu. Es ist allerdings zu ergänzen, dass diese Zunahme mit der „Entdeckung“ der Heterogenität der postmigrantischen Gesellschaft einhergeht. Antisemitismus ist kein spezifisch deutsches, postnationalsozialistisches Problem, vielmehr gibt es seit 9/11 die Tendenz in der Politik, ihn als importiertes Übel der islamistischen Zuwanderer zu betrachten. 


Heute kommt hinzu, dass mit dem pogromartigen Überfall am 7. Oktober und dem seither andauernden Krieg in Gaza und zunehmend in den besetzten Gebieten und im Libanon die Präsenz der palästinensischen Diaspora in Deutschland nicht mehr übersehen werden kann. Auf diese Tatsache und die damit verbundenen pädagogischen Anforderungen gehen sowohl Rosa Fava (112–125) als auch Max Munz (141–157) in ihren Berichten aus der Praxis ein. Das Dilemma, Empathie und die eigene politisch-moralische Position nicht in Deckung bringen zu können, wird aus diesen beiden Berichten deutlich. Eine solche Ehrlichkeit ist notwendig und sollte an die Stelle von Positionierungen im Lagerstreit um den Nahostkonflikt treten. Für die Differenzierung im Umgang mit dem Antisemitismus gegen Israel ist das Interview mit Thomas Haury sehr hilfreich, das den Band eröffnet. Er betont, dass Antisemitismus ein „vielgestaltiges“ Phänomen ist, auch der „israelbezogene Antisemitismus [...] ist kein eigener Typus, sondern im klassischen, im…

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