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Die Autorin

Prof. Dr. Ursula Hennigfeld lehrt romanistische Literatur- und Kulturwissenschaft (Französisch, Spanisch) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie leitet das französisch-deutsche Teil­- projekt im BMBF-geförderten Forschungsverbund „Anti­semitismusprävention im europäischen Schulunterricht“ (AIES).

Antisemitismusprävention im Schulunterricht

Kriterien zum Einsatz von Graphic Novels

Immer häufiger werden Graphic Novels als visuelles Medium im Schulunterricht eingesetzt. Scheinbar ist diese Gattung für antisemitismuskritische Bildungsarbeit besonders gut geeignet. Anhand einer Checkliste wird erläutert, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um Präventionsarbeit mit Graphic Novels im Schulunterricht zu leisten.

Antisemitismuskritische Präventionsarbeit in der Bildung allgemein und besonders im Schulunterricht ist heute wichtiger denn je – und zwar nicht nur im Fach Geschichte, sondern auch in Deutsch, Politik, Religion/Ethik, ja sogar im Fremdsprachenunterricht. Antisemitismusprävention wäre selbst im Kunst-, Musik- oder Sportunterricht möglich. Die Thematisierung von Antisemitismus ist hingegen bundesweit nur selten verpflichtender Bestandteil der Kerncurricula; zu oft ist das Thema eine Wahloption unter vielen anderen, kann also von der Lehrkraft – aus welchen Gründen auch immer – vermieden werden. Gleichzeitig ergeben Studien und Lehrkräfteinterviews, dass auch bei Lehrer:innen dasselbe latente Abwehrverhalten und die von Samuel Salzborn diagnostizierte „emotionale Erbschaft der Nicht-Aufarbeitung“ festzustellen ist wie bei der übrigen Bevölkerung (Salzborn 2020, 59; Lorenz-Sinai 2022). Die implizite Abwehr beim Thema Antisemitismus ist kein rein deutsches Phänomen. So schildert etwa der französische Schulinspektor Jean-Pierre Obin in seinem Buch Les profs ont peur (2023), dass antisemitische Einstellungen und Handlungen auch in Frankreich oft von Lehrer:innen vertuscht werden, da sie Angst vor radikalisierten Eltern und Schülern haben oder ihnen die Rückendeckung der Schulleitung fehle. Die von Obin zitierten Lehrkräfteinterviews machen auf erschreckende Weise deutlich, wie weit die Selbstzensur schon gediehen ist – die Ermordung der beiden Lehrer Samuel Paty (2020) und Dominique Bernard (2023) durch Islamisten spielt hier sicher eine gravierende Rolle. Wenngleich diese beiden Morde keinen antisemitischen Hintergrund hatten, verstärken sie doch die Angst der Lehrer:innen, gesellschaftlich umstrittene Themen im Unterricht zu behandeln. 

Wenn Antisemitismus im Schulunterricht überhaupt behandelt wird, dann oft beschränkt auf die Jahre 1933–1945. Zu selten werden die lange Geschichte des Antisemitismus vor 1933 und die ­verschiedenen Formen von Antisemitismus heute thematisiert. Dabei böte natürlich vor allem der Blick in seine Geschichte die Möglichkeit, aktuelle antisemitische Phänomene erfassen und bekämpfen zu können. Zu oft wird er noch in weit zurückliegende Zeiten und an ferne Orte verlagert, die Geschichte der eigenen Stadt oder der eigenen Familie im Nationalsozialismus dagegen eher selten in den Blick genommen. Antisemitismus wird vielfach als rein…

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