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Die Vermessung der Ampel
„Zeitenwende“ – dieses Wort steht über dem ersten Jahr der
Ampelkoalition. Dabei hatten sich die drei Koalitionsparteien so viel vorgenommen. Eine Zukunftskoalition sollte es sein, die „mehr
Zukunft wagen“ wollte. Ein sozio-ökologische Wende war geplant. Die
Außenpolitik sollte wertegeleitet sein und feministischer werden. Ein neuer
Stil sollte Einzug halten in die Politik, wofür die Koalitionsverhandlungen
einen Vorgeschmack hatten geben sollen.
Das waren ambitionierte Pläne, und zunächst gelang ein guter Start. Dann kehrte der Krieg nach Europa zurück und verschob alle Koordinaten.
Die Vorhaben des Koalitionsvertrags gerieten zwar nicht gänzlich aus dem Blick, doch seither bestimmt die
neue Weltlage die Politik, die die Regierung wegen ihrer Auswirkungen auf die
soziale und wirtschaftliche Lage im Land vor ungeplante und ungeahnte Aufgaben
stellt. Die Inflation ist zurückgekehrt, der Winter 2022/23 könnte
im Sinne des Wortes ein kalter werden, die Russlandpolitik der
letzten zwanzig Jahre liegt in Trümmern, die Chinapolitik steht vor
schmerzlichen Korrekturen, der deutsch-französische Motor stottert, in Italien
und Schweden triumphieren rechtspopulistische Parteien, in der Energiepolitik
rächen sich die zahlreichen Versäumnisse und Fehlentscheidungen. Die Deutschen
werden sich auf mehr Unsicherheit einstellen müssen – sozial und
sicherheitspolitisch.
Kein Zweifel. Die Bundesregierung steht vor einer großen
Bewährungsprobe. Die Koalition tut sich angesichts der weltanschaulichen
Distanz von FDP und Grünen schwer damit, geräuschlos zu Lösungen zu finden. Doch genauso wahr ist, dass sich die Regierung mit einer Reihe
von Entscheidungen gegen die vielfältigen Auswirkungen der Krise stemmt, die
vor einem Jahr noch undenkbar gewesen wären und größtes Erstaunen hervorgerufen
hätten. Ob es sich dabei um die richtigen Entscheidungen gehandelt hat, wird
die Zeit zeigen müssen. Das sollte uns aber nicht daran hindern, nach einem
Jahr eine erste Bilanz der Ampelkoalition zu ziehen.
Neu
Die Wiederkehr des Nationalismus
Die Hoffnung auf einen unaufhaltsamen Siegeszug der liberalen Ordnung, auf ein "Ende der Geschichte" trog. Seit Jahren steigt die Zahl gewaltsamer Konflikte.
Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig, und ein totgeglaubter Wiedergänger spielt dabei eine gewichtige Rolle: der Nationalismus. In vielen Regionen der Welt werden bestehende Grenzen im Namen einer ruhmreichen Vergangenheit und zur „Heimholung“ von „Volksangehörigen“ oder „verlorenen Gebieten“ in Frage gestellt, werden nationale Interessen außer- und innerhalb internationaler Vereinigungen robust bis rücksichtslos durchgesetzt. Die Abkehr vom „Multilateralismus“ und „Institutionalismus“ in den internationalen Beziehungen ist nicht zu übersehen. Auf dem Balkan brodelt es bedrohlich.Doch es gibt nicht nur diese hässliche Fratze des Nationalismus. In Afrika spielte er als Befreiungsideologie eine wichtige Rolle, wenn auch nicht immer zum Segen der betroffenen Völker. Dem schottischen Nationalismus sind völkische Elemente gänzlich fremd.
Es ist folglich ein facettenreiches Bild, das sich beim Blick auf den Nationalismus als politische Idee und Praxis ergibt.